Vorweg: Das war mit Sicherheit eine der schönsten Etappen, die wir auf unseren gemeinsamen Fahrradtouren seit 1990 gefahren sind.
Die Anfahrt klappte mal wieder reibungslos: Ich hatte keine Probleme, beide Fahrräder als Sperrgepäck aufzugeben. Für die Gepäckleute war es am Sperrgepäckscanner auch schon reine Routine, Fahrräder oder ähnlich sperrige Sportgeräte zu prüfen, so dass ich ganz entspannt in München ankam. Fast zeitgleich kam Sven aus Florida via Düsseldorf und Kjell, Svens Sohn, aus Stuttgart mit dem Leihwagen an. So hatten wir einen Chauffeur, der uns bis Innsbruck brachte. Die weiteren Etappen ab Triest werden bei der An- und Abreise bestimmt schwieriger.
In Innsbruck hatten wir ein Hotel vorgebucht und erlebten abends im Restaurant gegenüber dem goldenen Dacherl einen Weltuntergang mit Sturmböen und jeder Menge Regen. Beste Voraussetzungen für unsere Fahrradtour.
Am nächsten Morgen fuhren wir drei mit dem Wagen exakt zu dem Ort (Mötz), an dem wir im letzten Jahr nach der Überquerung des ersten Alpenpasses auf das Inntal gestoßen waren. Bei bestem Wetter (kein Regen und kein Gegenwind) fuhren wir bestens gelaunt und voller Adrenalin einen wunderschönen Fuß- und Radweg im Inntal gen Westen.
Meine bestens vorbereiteten Karten aus Google Maps waren überhaupt nicht notwendig, da der Weg eh nicht eingezeichnet war und wir uns bis Landeck nur am Inn orientieren mussten. Wir genossen die Fahrt ohne Steigungen, bis wir in Imst übersahen, den Inn zu überqueren. Auf unserer südlichen Seite, ging es nun erst etwas bergan, was uns noch nicht verunsicherte. Dann ging es noch steiler bergauf und wir kamen auf eine Straße. Auch noch kein Problem. Die Straße machte noch eine steile Serpentine nach oben: Auch die schafften wir mit etwas Quälerei. Als wir dann den Ort Arzl durchquert hatten – immer noch im kleinen Gang – ahnten wir, dass ich doch mal in die Karte hätte schauen müsste.
Wir waren natürlich vor Landau in Richtung Alpenpass abgebogen und stellten fest, dass wir auf dieser Strecke sogar ein paar Kilometer sparen konnten, allerdings konnte ich nicht sicher sagen, mit welchen Höhenmetern wir zu rechnen hatten. Am Ende und auch am Ende unserer Kräfte, waren es 900 unnötige Höhenmeter bei einer Ersparnis von 500 Metern Strecke, als wir wieder auf der richtigen Route waren. Jetzt kam aber erst der Anstieg zum Reschenpass.
An dieser Stelle muss ich ein Lob an meine beiden Mitfahrer aussprechen, die mir als Navigator zwar jede Kompetenz absprachen, aber nicht maulten, sondern sich lobend über die schöne Strecke ausließen mit dem wunderschönen Blick in das Tal, in das wir jetzt wieder runterfahren mussten.
Das Wetter hielt bis kurz vor Reschen, dem Ende unserer Tagesetappe. Wir konnten den Regenschauer an einem Unterstand trocken überstehen und uns auf den letzten heftigen Anstieg über 13 Serpentinen vorbereiten. Meine von Krämpfen attackierten Beine wollten nicht mehr so richtig, so dass wir an jeder Serpentine einen kurzen Stopp einlegten. Sven allerdings, der durch sein Höhentraining in Florida (höchste Erhebung ist die 17th Street Bridge in Fort Lauderdale mit 20 Höhenmeter) so gut drauf war, dass er bis oben durchgefahren war, musste dort bei eisigem Wind auf uns warten. Das Ergebnis war eine dicke Erkältung am nächsten Tag.
In Reschen hatten wir einen sehr netten Abend, der gleichzeitig der Abschied von Kjell war, der am nächsten Morgen wieder zurück nach Mötz fuhr und den Leihwagen sicher wieder nach Hause brachte. Der Abend endete an der Hotelbar, an der wir vom Hotelinhaber noch eine Einführung in die heimischen Obstbrände erhielten.
Die zweite Tagesetappe entschädigte uns für die Mühen vom Vortag: Jeder, der die Strecke vom Reschenpass runter immer an der Etsch entlang nach Meran und Bozen gefahren ist, egal ob mit Auto oder Fahrrad, wird sie bleibend in Erinnerung behalten. Wir konnten uns auf einem bestens ausgeschilderten Radweg bei leichtem Rückenwind und ständiger Abwärtsfahrt an der wunderschönen Landschaft (Wein und Obstplantagen, eingerahmt von Gebirgszügen) und den verzerrten Gesichtern der entgegenkommenden Fahrradfahrer erfreuen. So hatten wir am Vortag bestimmt auch ausgesehen.
In Meran suchten wir ein Café auf und Sven loggte sich in die Abschlussveranstaltung seines online-Studiengangs ein ich wurde damit Zeuge der „Zeugnisübergabe“ am Mobilphone. Bozen, das Ziel dieser Tagesetappe, erreichten wir zur Rushhour: Ähnlich wie in Münster gibt es dort mehr Fahrräder als Autos und als Ortsunkundiger muss man verdammt aufpassen, dass man nicht umgefahren wird.
Am nächsten Morgen war die Etsch wieder unser Wegweiser. Ein absoluter Traum für Fahrradtouristen: Auf einem bestens asphaltierten, breiten Fahrradweg, weit weg von jeder Straße, direkt an der Etsch und immer mit einem ganz leichten Gefälle. So könnte man ewig weiterfahren.
In Trient, noch weit vor dem Gardasee, verließen wir unsere Traumstrecke und bogen gen Osten ab. Trient hat einen wunderschönen Marktplatz, auf dem wir unsere Pause etwas mehr ausdehnten, da von Osten eine schwarze Regenwand herankam.
Leider bewegte sich die Regenwand keinen Meter, so dass wir beschlossen, den kurzen, aber knackigen Anstieg zu wagen. So kamen unsere Regenklamotten zum ersten richtigen Einsatz und haben sich absolut bewährt. Nach einer knappen Stunde waren wir in einem Hochtal in Richtung Borgo. Borgo ist ein kleiner, sehr niedlicher Ort mit einer Eisdiele, zwei Hotels und einem Restaurant. Somit war der Abend vorbestimmt.
Durch das immer enger werdende Tal fuhren wir am 4. Tag auf einem Radweg direkt an dem Fluss Brenta entlang, immer leicht abwärts und wurden dann unvermittelt in die Norditalienische Ebene gespült. Die Alpen lagen hinter uns und vor uns lag nur noch das flache Land. Eine kurze Pause gönnten wir uns auf dem Marktplatz von Bessano del Grappa mit der ganz in der Nähe liegenden Holzbrücke, die aus dem 16 Jahrhundert stammt, aber mehrfach nach den ursprünglichen Plänen wieder aufgebaut werden musste.
Die 4. Tagesetappe endete in Treviso, einer wunderschönen Stadt mit alten Gebäuden. Wir gönnten uns auf der Piazza dei Signori erst einen Drink und wechselten dann in das Restaurant gleich daneben; natürlich alles unter freiem Himmel.
Der fünfte Tag führte uns durch die jetzt vergleichsweise langweilige Ebene. Wir spulten unser Pensum ab und stellten fest, dass der Flughafen von Triest in Monfalcone etliche Kilometer vor Triest liegt. Dadurch und durch die Tatsache, dass wir schneller über den Pass gekommen waren, als ich befürchtet hatte, endete die fünfte Tagesetappe unweit vom Flughafen entfernt, so dass wir am letzten Tag unserer Etappe nach Grado an die Adria fahren konnten und uns am Strand in die Sonne legen konnten. Auf dem Weg nach Grado kamen wir durch Aquileia, bekannt für seine Ausgrabungen und antiken Schätzen Aquileia war im römischen Reich eine große Stadt und Verkehrsknotenpunkt.
Am nächsten Morgen ging es ganz früh zum Flughafen, da wir die Fahrräder nicht abends aufgeben konnten. Wir waren tatsächlich die ersten Fluggäste an diesem Morgen, mussten aber buchstäblich bis zur letzten Minute (10 Minuten vor Abflug) kämpfen, damit wir beide Fahrräder aufgeben durften. Lufthansa hatte übersehen, dass das Flugzeug nur ein Fahrrad mitnehmen konnte. Sven zeigte in der immer hektisch werdenden Diskussion ein unglaubliches Stehvermögen, so dass der Flughafenleiter zu Rate gezogen wurde, der einen genialen Einfall hatte: Er deklarierte das Fahrrad als Gepäckstück und schon durften wir es mitnehmen. So einfach geht das.
Jetzt ging es via München wieder in unsere Heimaten und wir schmiedeten schon auf dem Heimflug Pläne für die nächste Etappe: Von Triest nach Split.